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texte zur künstlerischen arbeit
Eröffnungsrede zur Ausstellung NATUR IM DIALOG von Dr. Antje Hambitzer, Ausstellung zusammen mit Elke Schrey im Mühlenturm in Geldern, 20. März 2015
Mein Name ist Antje Hambitzer und ich bin eine Malfreundin der beiden Künstlerinnen, wir gehören zur Gruppe MachART und wohnen alle drei in jener beschaulichen Idylle, die sich Brüggen nennt. 30 km südlich von der Weltstadt Geldern. Ich möchte Sie in das Ausstellungsthema NATUR IM DIALOG einführen.
Wir haben es mit zwei Begriffen zu tun. Natur und Dialog. Da es sich um eine Kunstausstellung handelt, sollte beides auch etwas mit dem Begriff der Kunst zu tun haben. Wenden wir uns zunächst der Natur zu. Jeder von uns hat eine Vorstellung davon, was Natur ist. Alles was draußen ist, Landschaft, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft und so eben alles, was natürlich ist. Das ist die Natur. Heute sehen wir die Natur als etwas, was der Mensch nicht gemacht hat, denn das betrachten wir als Kultur. In vergangenen Zeiten hatte die Natur für den Menschen eher einen feindlichen Charakter. Die Natur galt als der für den Menschen nutzbare Raum. Die Gesellschaft hatte den klaren Willen alle Natur zu kultivieren, Räume, in denen das nicht der Fall war, galten als Wildnis, die dort ansässigen Menschen als Wilde, als unkultivierte Menschen in einem unkultivierten Land, sie waren kulturlose Menschen niederen Grades. Das heißt, es bestand eine deutliche und vor allem wertende Trennung zwischen Natur und Kultur. Dies kam in der bildenden Kunst zum Ausdruck, die vorherrschend den Menschen, seine Architektur und seinen Glauben darstellte. Der Mensch und das Werk seiner Hände standen ganz eindeutig im Zentrum.
Das Landschaftsbild ohne gleichzeitig Menschen darzustellen sowie das Stilllebenmotiv, oder ein Blumenbild ohne Gegenstände, die der Mensch gemacht hat kommt erst nach 1600 auf und mutet uns heute dennoch ein bißchen arrangiert, etwas künstlich zusammengestellt an. Naturwissenschaften nehmen Einzug in die Gesellschaft, Naturgesetze erhalten Anerkennung, es kommt langsam eine zunehmende Individualisierung auf und man wagt es, die Kirche zu kritisieren. Langsam näherten sich die Wertigkeiten von Natur und Kunst an. Rousseau, ein Wegbereiter der Französischen Revolution sagte: Die vollkommene Kunst ist die Natur. Caspar David Friedrich (um 1800) fand, dass die Natur das größte Kunstwerk sei. Und langsam begannen die Menschen sich ihre Freiheit zu erkämpfen und auch ihr Naturbegriff hatte etwas mit Freiheit zu tun. Menschen begannen durch die Natur zu wandern, auf Berge zu steigen, Urlaubsreisen zu unternehmen; eine Verherrlichung der Natur begann, die bis heute andauert und nun eine klare Gegenbewegung zum Leben in einem industrialisierten Raum darstellt.
Heute blicken wir in Europa auf die Natur durch die Brille des Ökologen, auf ein System, in dem sich die Dinge auf natürliche Weise regeln. Der Kreislauf des Lebens, der natürliche Lauf der Dinge wird heraufbeschwört. Wir verehren die Natur, umso mehr, umso unberührter sie ist. Wir fühlen uns für sie verantwortlich. Wir scheinen gleichsam zu wissen, dass wenn wir uns nur aus dem Kulturraum mit all seiner Hektik, heraus bewegen würden, in die unberührte Natur, in die Wildnis, so wären wir der Harmonie und der Erholung gewiss. Wir suchen den Einklang mit der Natur. Wir sehen auf die Natur wie auf ein Wunder, als Naturwissenschaftler kann ich ihnen versichern, wir wissen wirklich viel über die Natur und die Naturgesetze und je mehr man weiß umso mehr erkennt man. Und was könnte faszinierender sein als die Mannigfaltigkeit der Natur, die Kraft von Naturgewalten und die Vielfalt organischer Strukturen bis zum Organisationsgrad jeder einzelnen Zelle. Wir können das heute alles naturwissenschaftlich nüchtern erklären, aber die Verwunderung und die Verzückung über die Schöpfung, die sind bei noch so viel Aufklärung geblieben. Die Natur ist schon ein großes Wunder, das Leben ist ein großes Wunder.
Nun zum Dialog
Frau Erkes und Frau Schrey kennen sich schon lange und gut und haben gewiss schon manchen Dialog mit der Kunst und über die Kunst geführt. Kann die Natur etwa auch reden und antworten? Nein, kann sie nicht, sie kann nicht sprechen. Ebenso wenig wie die Malerei und doch sagt sie uns etwas. Wir alle wissen: ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Auch ein Bild über die Natur sagt mehr als 1000 Worte. Es reicht, wenn feuchte Farbe und ein Pinsel auf Papier oder Leinwand treffen und es entstehen Dialoge zwischen Malern, zwischen Malern und Betrachtern, zwischen einem Bild und dem Betrachter.
Lassen Sie sich auf den Dialog mit der Natur ein, auf den Dialog mit den Malerinnen und mit ihren Bildern.
Und das sind die beiden, die mit uns über ihre Bilder in Dialog treten möchten:
Elke Schrey
Sie beherrscht die Farbflächen. Alles ist Farbe und alles ist Raum, Linien sind erweitert zu Flächen, die Dinge stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu ihrer Umgebung, dazwischen gibt es keine Linie. Und die Ansicht von der Natur ist ein Heranzoomen der Pflanzen und ein gleichzeitige Vereinfachen der Objekte. Dabei stellt sie weniger die morphologischen Details dar, als das Wesen der Pflanzen, ihre Bewegung im Wind, ihre Stellung zur Sonne oder die Bewegung des Wassers und dessen Transparenz. Nichts, aber auch gar nichts ist Zufall. Die Natur mag zufällige Mutationen bevorzugen, Frau Schrey nicht. Ihre Bilder sind ein Beispiel für den Respekt vor der Natur, aber auch dafür, die natürliche Form zur Beherrschung des Bildformates zu benutzen und dem Raum, der die Formen umgibt die gleiche Wertigkeit zuzugestehen. Das Spiel mit Helligkeiten und Dunkelheiten steigert sie dabei fast übernatürlich.
Martina Erkes
Sie malt nicht nur, sondern sie zeichnet. Sie malt und zeichnet organische Strukturen, keimende Bohnen, Pflanzen, Blätter usw. und all das kommt uns sehr organisch vor. Das täuscht, denn in Wirklichkeit ist die gezeichnete Linie das in höchstem Maße abstrakte Medium der bildenden Kunst. Sie ist eine in Wirklichkeit nicht vorkommende Begrenzung der Dinge. Schauen sie genau hin, um mich herum gibt es keine Linie. Seit jeher wird bei einer Zeichnung und der Skizze die große Unmittelbarkeit, ihre Spontanität geschätzt, das wenig akademische bewundert. Gleichzeitig auch ihre Reduziertheit, ein Blatt Papier, ein Stift und eine Linie - mehr nicht. Wir leben in einer Welt der reduzierten Botschaften, der Buchstaben, der Piktogramme, ein Logo, eine Silhouette und wir alle verstehen sofort, um was es geht. Frau Erkes bezieht die Linien, das Skizzenhafte jedoch auch in eine um Farben erweiterte Gesamtkomposition ein und schafft so verschiedene Bildebenen und Tiefenwirkungen. Die Linie hat wie die Natur selber eine unendliche Wandlungsfähigkeit, nie entspricht sie ihrer mathematischen Definition der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten. Die Kombination von graphischen Techniken und Malerei, das macht ihre Bilderwelt aus. die Linie entsteht mal aus dem Handgelenk heraus, mal durch den ganzen Körperschwung und überträgt sich gleichsam auf die Malerei.
Beiden Malerinnen ist die Harmonie wichtig, jene Harmonie, die die Natur verspricht, nicht die Aggression noch die Provokation. Lassen Sie mich enden mit einem Zitat von Paracelsus zur Natur:
"Wer nichtsweiß, liebt nichts. Wer nichts tun kann versteht nichts. Wer nichts versteht, ist nichts wert. Aber wer versteht, der liebt, bemerkt und sieht auch... Je mehr Erkenntnis einem Ding innewohnt, desto größer ist die Liebe... Wer meint, alle Früchte würden gleichzeitig mit den Erdbeeren reif, versteht nichts von den Trauben."
Arbeiten im organischen Wachstumsprozess 2013
Meine Arbeit folgt meinem ureigensten Interesse am organischen Leben. Die Kunst begreife ich als Mittel, die Welt und auch die Kunst selbst mit künstlerischen Mitteln zu erforschen und zu begreifen. Dabei bin ich der Überzeugung, dass die Kunst dem Wesen des Lebens näher kommen kann als die Wissenschaft. Wie in der Wissenschaft kann ich auch in der Kunst Fragen stellen, die vielleicht im Laufe der Arbeit eine Antwort erfahren, die oft aber auch neue Fragestellungen hervorrufen.
Wurzel meiner Arbeiten ist die Faszination am Kreislauf des Säens, Keimens, Wachsens, Wucherns, Fruchtens und Vergehens, der sich für mich am einfachsten im pflanzlichen Lebenskreislauf beobachten läßt. Indem ich selbst säe, die Pflanzen in die eigene Hand nehme und jeden Tag neu beobachte, kann ich diesen Kreislauf mit allen Sinnen erfahren. In meinen Beobachtungen sehe ich immer wieder die Zartheit und Verletzlichkeit des Lebens, aber auch die Erdung und die Stärke, die im Wachstumsprozess entstehen können und Rückschlüsse auf den Menschen ermöglichen. Ich erlebe alltägliche kleine Wunder, die nicht im Fokus des allgemeinen Interesses stehen. Gleichzeitig zeigt sich auch der Kreislauf des Lebens, der sich immer wieder erneuert und für sich ist, auch ohne unsere Eingriffe. Schaue ich genauer hin, so gilt ein Frageschwerpunkt den organischen Linien, Formen und Strukturen, die ich im Laufe dieses Kreislaufes beobachten kann. Welche Linien entstehen, z.B. durch die Krümmung von Pflanzenstängeln oder die Umrisslinien von Blättern? Wuchernde, ausufernde und letztlich auch brechende Linien zeigen Wachstum auch als Bewegung in der Zeit. Eine andere Fragestellung ist für mich, wie in der heutigen Zeit noch Bilder von Pflanzen aussehen können. Jahrhunderte der Darstellung von Pflanzen in der bildenen Kunst liegen hinter uns und trotzdem ist dieses Thema für mich nach wie vor interessant. Wie viel Abbildhaftes muss noch sein? Wie lange transportiert die sich immer weiter vereinfachende Form, die vereinfachende Linie noch das Wesen des Organischen? Zielsetzung sind für mich Arbeiten, die dieses Wesen noch transportieren, ohne ein direktes Abbild zu sein. Gleichzeitig ist mir die Sinnlichkeit der Arbeiten wichtig, die eine Lebendigkeit transportieren kann. Wichtig ist mir auch eine Mehrdeutigkeit der Arbeiten, die neue Fragestellungen zuläßt. Grundsätzlich sehe ich meine Zeichnungen und Malereien als Ausschnitte von etwas Größerem. Sie könnten sich nach allen Seiten weiter ausdehnen. Meine Arbeit umfaßt hauptsächlich die Medien Zeichnung, Fotografie und Malerei, wobei die Zeichnung und die Malerei die Schwerpunkte sind.
Fotografie
Die Fotografie dient mir vor allem zum Festhalten eines Moments. Sie zeigt einen gewählten Ausschnitt des Beobachteten und zeigt gleichzeitig auch eine Konzentration auf einen bestimmten Blickwinkel. Sie hilft mir, Beobachtetes zu dokumentieren, so dass ich es auch noch später wieder erinnern und einsortieren kann. Wenn sie für mich eine bestimmte Fragestellung oder einen bestimmten Sachverhalt besonders deutlich machen kann, wird sie auch schon einmal zu einer eigenen Arbeit; dies ergibt sich im Prozess. Bedingt durch das Medium und die Arbeitsweise sind diese Arbeiten natürlich noch dem Abbild verpflichtet.
Zeichnung
Meine Zeichnungen entstehen vielfach in der direkten Beobachtung, wobei mir die Abbildhaftigkeit nicht mehr wichtig ist. Oft ist auch die direkte Beobachtung oder ein von mir gemachtes Foto der Auslöser, die Zeichnung erfolgt dann mehr in der Erinnerung oder mit dem Fokus auf einen bestimmten Sachverhalt, z.B. wie wuchert eine Wurzel, wie könnte das Wuchern weitergehen. So ist die Zeichnung für mich eine Begleitung des eigenen Denken und Handelns; sie ist für mich das direkteste Medium, vom Kopf in die Hand aufs Papier. Gleichzeitig beschäftigt mich beim Zeichnen das Medium der Zeichnung an sich. Welche Möglichkeiten habe ich in der Zeichnung? Wie muss, wie kann eine Linie sein? Was passiert, wenn Linien und Strukturen aufeinander treffen? Immer entstehen meine Zeichnungen im Prozess, eine einmal gesetzte Linie bleibt stehen, denn sie dokumentiert für mich den Prozess, der innerhalb einer Zeichnung stattgefunden hat. Eine bestimmte Vorstellung habe ich natürlich vor dem ersten Strich im Kopf, aber ich zeichne nicht vor und die Zeichnung erwächst während des Arbeitens. Wichtig wird auch die Bewegung der Hand und bei größeren Arbeiten die Bewegung des ganzen Armes.
Kalenderblätter: Jeden zweiten Tag
Seit 2012 ist diese Art der Zeichnungen auf Kalenderblättern eine wichtige Säule meiner Arbeit. Zu Beginn stellte ich mir selbst ein Regelsystem: Alle Zeichnungen entstehen auf den Seiten eines einfachen Terminkalenders. Sie entstehen zeitnah, d.h. jeden zweiten Tag entsteht eine kleine Zeichnung. Werkzeuge sind Tuschestifte in Grau und Schwarz, Kugelschreiber, Collagen mit vorgefundenen Abbildungen und Klebeband. Seit Beginn 2013 kam noch der Bleistift hinzu und kleine Stempel fanden ihren Weg in die Arbeiten. Die Regeln lassen trotzdem eine große Vielfalt innerhalb des gesteckten Rahmens zu; Spielereien und kleine Abwege gehören auch dazu. Durch die alltäglichen Materialien und die kontinuierliche Arbeit hole ich meine künstlerische Arbeit in den Alltag oder den Alltag in die Kunst. Die Materialien sind immer verfügbar und die Arbeit an ihnen erfordert keinen großen Aufwand. Ich kann überall daran arbeiten. Jede Zeichnung spiegelt oder erinnert eine Beobachtung. Durch den Kalender wird die Zeichnung in einen Zeitablauf eingebunden. zusätzlich bietet die bedruckte Kalenderseite mit ihren Linien und Zahlen schon ein Feld, auf dass ich reagieren kann. Der alltäglichen Bilderflut kann ich mit dieser Arbeit eine eigene Menge von Bildern entgegen setzen, die sich im Laufe der Zeit immer weiter vergrößern wird.
Manchmal wirken diese Arbeiten auf mich wie Ausschnitte aus einem naturähnlichen Geschehen, gesehen durch ein Mikroskop, vergrößert aus einer unbekannten Welt. Die Arbeit verändert sich im Laufe der Zeit immer wieder, zeigt Ideen, Überlegungen, Eindrücke, Anregungen. Sie zeigt aber auch, wie die Zeit vergeht, wie das Leben weitergeht. Dabei geschehen immer neue Eindrücke, sie treiben die Arbeit voran. Verschiedene Hängungen der Arbeiten zeigen verschiedene Aspekte der Zeit, die weiterläuft. So kann die verflossene Zeit bei einer linearen Hängung abgeschritten werden, bei einer blockartigen Hängung (siehe Beispiele in Grafik 2013) liegt die Zeit wie ein Bilderteppich hinter mir.
Malerei
In der Malerei ist das Beobachtete der Malanlass, auf der Leinwand spielen dann aber andere Fragestellungen noch eine Rolle. Neben den Formen und der Linienführung wird der Vorgang der Malerei, das Material, die Technik selbst zum Thema. Farben mischen sich, ich verwische sie ineinander oder sie bleiben als Pinselstriche stehen. Wie vermischen sich die Farbtöne? Wie verhält sich dabei die Vergrauung der Farben? So wie in der Zeichnung ein Stift die Linie formt, so formt der Pinsel die Pinselspur. Bei breiteren Pinseln hinterläßt der Pinsel schon eine kleine Fläche, in der auch wieder etwas passieren kann. Durch die dick eingesetzte Farbe wird die Pinselspur körperlich und wäre bei der Berührung des Bildes auch mit dem Tastsinn erfahrbar. So teste ich im Malen auch die Möglichkeiten der Malerei aus. Zu einem großen Anteil entsteht meine Malerei im Prozess. Ab und an mache ich kleine Skizzen, um z.B. einzelne Schwerpunkte und Probleme der Komposition zu klären. Danach entsteht das Bild während des Machens, ich reagiere immer wieder auf gerade entstandene Zustände des Bildes. Das ist immer ein Risiko, das Bild wächst, wuchert und das Schwerste ist den Punkt zu finden, an dem das Bild fertig sein kann. Die Bewegung der Hand, die Bewegungen des Körpers sind für die Bilder sehr wichtig. Beim Malen bin ich permanent in Bewegung. Wie bei den Kalenderblättern arbeite ich auch in der Malerei häufig seriell. So kann ich einen Aspekt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. In der Beiläufigkeit, die bei mehreren Arbeiten einer Serie entsteht, verliert das einzelne Bild in der Arbeit seine Wichtigkeit, was meiner Arbeit allgemein gut tut. Auch in der Malerei entwickelt sich so die Arbeit innerhalb eines Regelwerks. Wichtig ist, die Grenzen des Regelwerks immer wieder auszutesten. Eine Arbeit wächst aus der vorhergehenden Arbeit, die Arbeiten entwickeln sich im Bezug aufeinander.
Serie: In the Dark Hier arbeite ich mich Verwischungen in feuchter Farbe in Kombination mit starken Hell-Dunkel Kontrasten. Mit dieser Arbeitsweise entstehen in den Bildern Räumlichkeiten. Klare Pinselstriche drängen nach vorne im Kontrast zu den diffusen Farbschleiern ähnlich wie bei Fotografien, in denen nur die stark fokussierten Partien wirklich scharf sind. Die Frage ist, wie viel Form noch nötig ist. Formen und Linien überlagern sich, es entsteht ein eigener Bildkosmos, der Ähnlichkeit mit Röntgenbildern oder Nachtsichtaufnahmen hat.
Serie: Dutch Colours Starke Kontraste zwischen Hell und Dunkel und dadurch eine gewisse Dramatik, so würde ich meine Malerei beschreiben. Parallelen dazu fand ich in den Bildern alter holländischer Meister z.B. in den Bildern von Jan Vermeer. So beschloß ich, mich einmal ganz bewusst mit diesen Parallelen auseinander zu setzten. Dabei orientierte ich mich an der Farbigkeit von Stillleben mit Früchten und Pfalnzen von Abraham Mignon (1640 - 1679) und Jan Davidz. de Heem (um 1650), die eine Thematik zeigen, die mich ebenfalls beschäftigt. Auch bei diesen Arbeiten spielte der Kreislauf des Lebens, insbesondere die Vergänglichkeit eine große Rolle (ein urmenschliches Thema).
Ein eingheitliches, kleineres Format (58 x 62) schien mir geeignet, eine Untersuchungsreihe zu starten und viele Ansichten der Thematik zu erarbeiten. Während die Farbigkeit von den alten Meistern entlehnt wurde, sind die Beobachtungen von Bohnenpflanzen die Quelle für die formale Seite dieser Serie. Die Grundformen der Bohne, des Keimblattes und der Ranken waren Vorlage für die Pinselspur. Fragestellungen waren und sind: Wie wird die materielle Farbspur? Was machen Farbe, Farbriefen, Farbspuren, Farbmischungen im Bild? Wie verhalten sich Formen und Linien, wenn sie immer wieder übereinander gelegt werden? Wie viel Hintergrund bleibt noch erhalten? Das Material Farbe und der Schwung der Pinselspur bekommen gegenüber den Arbeiten "In the Dark" ein stärkeres Gewicht. Das Wesen des Beobachteten bleibt aber nach wie vor bestehen. Diese Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen, sie geht weiter. Weitere Serien mit neuen Fragestellungen und größere Arbeiten werden folgen.
Martina Erkes, 2013
Kurzstatement Ausstellung „Klartext“ 2012
Bei Klartext erwartet man eigentlich eine klare Botschaft, schwarz auf weiß, ohne Kompromisse, eindeutig, ohne wenn und aber. Je weiter ich mich mit diesem Begriff beschäftigt habe desto klarer wurde mir selbst, das für mich in der Kunst nichts eindeutig, klar, ohne wenn und aber sein kann, denn nur in dem Unbestimmten liegt das Interessante, das Unwägbare, der Zwischenbereich, der zum Weiterspinnen anregt.Aus diesem Grund wurden meine Arbeiten kompromisslos unklar, unbestimmt, uneindeutig. Ich hoffe, ich gebe dadurch auch dem Betrachter die Freiheit, in meinen Arbeiten etwas Neues entdecken zu können und seine eigenen Fäden zu spinnen. Martina Erkes, 2012
Leben wuchert 2011
Leben wuchert. Es wächst und sprießt. Es dehnt sich aus. Es vermehrt sich. Verbindungen werden geschaffen. Das kann lebenswichtig, aber auch tödlich sein. Leben stößt aber auch an Grenzen. Das Leben arrangiert sich damit oder überwuchert sie, wir beengt oder verkümmert. Es entstehen Oberflächen und Strukturen die wachsen, wuchern und sich wieder zersetzen. Dieses Spannungsfeld ist für mich besonders interessant. Energie und Zerfall liegen dicht nebeneinander. Lebendigkeit, Wachstum, Wucherungen globalisieren sich, sie lassen sich aber auch im kleinsten und unscheinbarsten Mikrokosmos finden. Diesen Vorgängen und Möglichkeiten spüre ich in meiner Arbeit nach und erforsche sie mit künstlerischen Mitteln.
Mit der Fotografie halte ich das Gefundene fest, die Malerei hilft mir, das Gefundene besser zu beobachten und herauszuarbeiten. die Zeichnung ist für mich das direkteste Mittel, denn mit ihr fließen Gedanken, Assotiationen und Möglichkeiten direkt aufs Papier. In meinen Fotostickereien verdichten sich diese Aussagen und wuchern weiter. Martina Erkes, Frühjahr 2011
Nur für den Augenblick 2011
Der Augenblick ist ein Symptom unserer schnelllebigen Zeit – Augenblick reiht sich an Augenblick. Materialien dienen uns für den Augenblick, danach werden sie weggeworfen. Bei der Arbeit an dieser Werkgruppe galt mein Interesse den weggeworfenen Teilen. Diese Teile waren vorher die Behältnisse für ein Mittagessen. Schnell wurde der Inhalt verzehrt, hinunter und weg. Danach weg mit der Verpackung. Die Verpackung als Spur einer Handlung, aber auch als Spur des Menschen überall auf der Erde.
Essen ist essentiell, es ist aber auch Kulturgut. So ist das Essen, die Art, wie man ißt und wie man mit den Resten des Essens umgeht ein Spiegel unserer Gesellschaft.
"Ontbijtjes", die gedeckten Tische auf den Stillleben der alten Meister und insbesondere das Bild "Reste eines Mittagessens" von Jean Siméon Chardin (1699 – 1779) waren die Anregung, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Auch sie waren Spiegelbilder der jeweiligen Zeit, waren jedoch gleichzeitig viel mehr als die bloße Darstellung von Gegenständen mit Hilfe der Malerei. Gleichzeitig interessierte mich an den Verpackungen aber auch die Oberfläche, die Struktur der gebrauchten Materialien. die Strukturen verändern sich beim Gebrauch, zerknittern, verwittern und sind schnell weggeweht. Ich erliege dabei der Faszination des Morbiden, Gebrauchten, Benutzten. Indem ich die Gegenstände male, gebe ich ihnen eine neue Wertigkeit, kehre ich ihre ursprüngliche Funktion um ins Gegenteil. Die zeitintensive Maltechnik, eine Untermalung mit Tempera und darauf die Ölmalerei in mehreren Schichten, unterstützt diesen Umkehrvorgang.
Die realistische Darstellungsweise ist bei dieser Werkgruppe thematisch begründet, sie fasziniert mich aber auch immer wieder. Als Jugendliche wurde ich 1973 zuerst mit den Arbeiten von Duane Henson und anderen Vertretern der Popkunst Ära konfrontiert. Sie beeindruckten mich tief. Meine Malerei ergänze ich durch fotografische Arbeiten. Meine Zeichnungen und Künstlerbücher sind für mich das direkteste Mittel, denn mit ihnen fließen Gedanken, Assotiationen und Möglichkeiten direkt aufs Papier. Martina Erkes, 2011
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